Vor dem Hintergrund der seinerzeitigen historischen Erfahrungen mit einer allmächtigen Organisation wie dem Reichssicherheitshauptamt und der Geheimen Staatspolizei – Gestapo – war es nur folgerichtig, dass zum Schutz der Verfassung und des Staates eine von der Polizei getrennte Organisation als nachrichtendienstlicher Teil des Sicherheitsapparates einzurichten war.
Einrichtung des Landesamtes für Verfassungsschutz Hessen
Im Sommer 1951 verabschiedete der Hessische Landtag das Gesetz über das Landesamt für Verfassungsschutz. Aus einem Provisorium – der Informationsstelle im Innenministerium – wurde das Landesamt für Verfassungsschutz Hessen.
Von Beginn an waren Rechts- und Linksextremismus beherrschende Themenfelder. Daneben musste ein besonderes Augenmerk auf Spionageaktivitäten gerichtet werden. Als Überschrift für die ersten Jahre eines neuen Verfassungsschutzes bis in die 1970er Jahre des 20. Jahrhunderts bietet sich der Begriff „Kalter Krieg“ an.
Entwicklung des Linksterrorismus
Gegen Ende der 1960er Jahre entwickelte sich ein neues Phänomen, das bis in die 1990er Jahre andauerte. Ausgehend von Studentenrevolten etablierte sich der Linksterrorismus in unterschiedlichen organisatorischen Ausprägungen, wie den Revolutionären Zellen (RZ) und der Roten Armee Fraktion (RAF).
Anschläge unterschiedlicher Art, Entführungen bis hin zu zahlreichen Mordanschlägen terrorisierten die Gesellschaft auf schreckliche Weise und stellten besondere politische, rechtliche und taktische Herausforderungen dar.
Schwerpunkt Ausländerextremismus
In den 1980er beginnend und verstärkt in den 1990er Jahren rückten Aufgaben im Zusammenhang mit ausländisch-extremistischen Aktivitäten in den Blickpunkt des Verfassungsschutzes.
Mit dem Ende des Kalten Krieges und dem Fall des Eisernen Vorhangs etablierten sich immer mehr ausländische extremistische Vereine und Organisationen. Sie brachten die Auseinandersetzungen aus ihren Heimatländern und die damit verbundenen, zum Teil gegen den Gedanken der Völkerverständigung gerichteten Einstellungen nach Hessen. Dies erfolgte nicht nur in Hinterstuben, sondern häufig mit besonders gewalttätigen Auseinandersetzungen und Anschlägen in der Öffentlichkeit und auf den Straßen.
Entstehung des islamistischen Terrorismus
Der 11. September 2001 offenbarte mit aller Wucht die weltweite Dimension des islamistischen Terrorismus. In der Folge wurde die Beobachtung des Islamismus – ein Begriff, der in bewusster Abgrenzung zur Religion des Islam wegen seiner extremistischen Dimension neu geprägt wurde – zu einem neuen und in Anbetracht seiner bedrohlichen und terroristischen Dimension herausragenden Tätigkeitsfeld des Verfassungsschutzes.
Über die Jahre hinweg lässt sich festhalten, dass der Verfassungsschutz als Frühwarnsystem für eine wehrhafte Demokratie unerlässlich ist. Die Aufklärung der Öffentlichkeit sowie die Information von Politik und anderen Stellen müssen dabei extremistische Bestrebungen reduzieren oder – ganz im Sinne einer modernen Prävention – vermeiden helfen.
Neuausrichtung des Verfassungsschutzes
Mit der Aufklärung der Verbrechen des rechtsterroristischen NSU und der anschließenden Überprüfung der Arbeit und Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden startete eine umfassende Modernisierung des Verfassungsschutzes. Am 31. Juli 2013 stellte der damalige hessische Innenminister Boris Rhein in Wiesbaden die Ergebnisse des im November 2012 eingerichteten Projekts „Neuausrichtung Verfassungsschutz“ vor.
Mit Prüfung der Arbeit und Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden sowie der Formulierung entsprechender Verbesserungsempfehlungen beschäftigten sich insbesondere zwei Gremien: Der am 26. Januar 2012 eingesetzte Untersuchungsausschuss „Rechtsterrorismus“ des Deutschen Bundestags und die Bund-Länder-Kommission Rechtsterrorismus (BLKR).
In ihren jeweiligen Berichten sehen die Gremien Grund zur Kritik an den Sicherheitsbehörden.
Mit dem Projekt "Neuausrichtung des Verfassungsschutzes" in Hessen wird gewährleistet, dass sich das LfV Hessen vor allem in Bezug auf Transparenz, Offenheit und Kooperation mit Bund und Ländern weiterentwickelt, um künftigen Herausforderungen gewachsen zu sein und als leistungsfähiger Verfassungsschutz in der Mitte der Gesellschaft zu stehen. Das Projekt beschäftigte sich insbesondere mit folgenden Themen:
- Aus- und Fortbildung,
- Öffentlichkeitsarbeit und Prävention,
- Einsatz und Führung von Vertrauenspersonen,
- Zusammenarbeit Verfassungsschutz und Polizei,
- Internet als Aufklärungs- und Präventionsmittel,
- Stärkung der Zusammenarbeit im Verbund und Zentralstellenfunktion des BfV,
- Daten- und Aktenpflege und Interne Kontrolle.
Insbesondere im Bereich der Aus- und Fortbildung wurde ein Schwerpunkt und erste Weichen für die Ausbildung zum Verfassungsschützer gelegt. Beamtenanwärter des LfV können nun an der Verfassungsschutzausbildung der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung teilnehmen.