Der Terror-Angriff der Hamas auf Israel vom 7. Oktober und der Antisemitismus, der sich in der Folge auch in Deutschland verstärkt zeigte, kam - abseits des eigentlichen Themas - auch beim 24. Herbstgespräch des LfV Hessen zur Sprache: In ihren Redebeiträgen verurteilten LfV-Präsident Bernd Neumann und Innenminister Peter Beuth den terroristischen Angriff scharf. Innenminister Beuth sicherte den Mitgliedern der jüdischen Gemeinschaft die Solidarität und Unterstützung der hessischen Sicherheitsbehörden zu: „Die Sicherheit Israels und des jüdischen Lebens sind in der Bundesrepublik vollkommen zu Recht Staatsräson“, sagte Beuth, um dann zu betonen: „Auch ohne diese Staatsräson wären die Anfeindungen und Angriffe, die Jüdinnen und Juden in diesen Tagen erleben müssen, völlig inakzeptabel - sie sind mit unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung schlichtweg nicht vereinbar!“
Herbstgespräch
Herbstgespräch fokussierte den Kampf zwischen Rechts- und Linksextremisten
Extreme Gegnerschaft
LfV-Präsident Neumann und Innenminister Beuth sprachen zudem auch über das Thema des 24. Herbstgesprächs: über die „extreme Gegnerschaft“ zwischen Links- und Rechtsextremisten. Diese agieren und agitieren nicht nur gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland und deren Vertreter; in sozialen Netzwerken und Messenger-Diensten schüren sie auch Hass auf ihre jeweiligen politischen Gegner – bis hin zu Gewaltaufrufen. Den Worten folgen immer wieder auch Gewalttaten: Allein im Jahr 2022 wurden insgesamt knapp 300 Fälle gezählt, in denen Rechtsextremisten oder Linksextremisten Gewalttaten gegen tatsächliche oder vermeintliche Rechts- bzw. Linksextremisten verübten.
Innenminister Beuth warnte angesichts der zunehmenden Polarisierung in Teilen der Gesellschaft davor, dass sich Konflikte zwischen Rechts- und Linksextremisten weiter aufheizen könnten: „Wenn sich Radikalisierungsspiralen erst einmal zu drehen beginnen, kann das zu immer neuen Taten führen und damit in Gewaltspiralen münden“, sagte Beuth. Den Rechtsextremismus bezeichnete er insbesondere aufgrund seiner Gewaltorientierung weiterhin als die größte Bedrohung für die freiheitliche demokratische Grundordnung und die öffentliche Sicherheit.
Der „Freund-Feind-Aktivismus“ zwischen Rechts- und Linksextremisten, der auch vor brutalen Angriffen auf Leib und Leben nicht Halt mache, gebe Anlass zur Sorge, weswegen das Landesamt für Verfassungsschutz Hessen als Frühwarnsystem die Situation genau beobachte und entsprechend sensibilisiere.
Als Beispiele für das Gewaltpotenzial, das dem Rechtsextremismus wie auch dem Linksextremismus innewohnt und das sich insbesondere beim Aufeinandertreffen der beiden Szenen mitunter in brutaler Weise entlädt, nannte Beuth zwei bundesweit beachtete Strafverfahren: Das Verfahren um die rechtsextremistischem Kampfsportgruppe „Knockout 51“ und das Verfahren gegen die aus Nordhessen stammende Linksextremistin Lina E. und drei ihrer Mitstreiter. Diese Strafverfahren zeugten nicht nur von der Gewaltorientierung extremistischer Akteure, sondern auch von dem hohen Organisationsgrad, der hinter extremistisch motivierten Delikten teilweise steht.
Intoleranz, Selbstjustiz und Selbstbewaffnung
Im Folgenden führte Innenminister Beuth drei für das Thema des Abends bedeutsame Aspekte aus. Zuerst nannte er das „Freund-Feind-Denken“, in dem sich Extremisten von Demokraten unterschieden. Demokratie lebe von Toleranz und Respekt gegenüber Andersdenkenden und dem politischen Wettbewerber und davon, eine andere Meinung auszuhalten und zu respektieren, sagte Beuth; wichtig sei außerdem die Bereitschaft zum Kompromiss. Im Freund-Feind-Denken von Extremisten gebe es hingegen keinen Respekt vor Menschen mit anderen Ansichten und den politischen Widersachern, keine Bereitschaft zum Austausch von Argumenten, keine Bereitschaft, auf den anderen zuzugehen und keine demokratischen Lösungen: „Extremisten haben den Boden der Demokratie verlassen und sich in die Schützengräben ihrer extremistischen, menschenverachtenden und demokratiefeindlichen Ideologien eingebuddelt. Sie lehnen unsere freiheitliche demokratische Grundordnung ab. Es gibt für Sie nur noch: ‚Extreme Gegnerschaft‘!“
Der zweite Aspekt, den Beuth ausführte, war die Selbstjustiz: Der Innenminister erinnerte daran, dass Rechts- und Linksextremisten den freiheitlichen, demokratischen Rechtsstaat ablehnen und suggerieren, dass dieser nicht willens oder in der Lage sei, für Sicherheit zu sorgen und die erforderlichen Maßnahmen im Kampf gegen ihre jeweiligen politischen Gegner zu ergreifen. Deshalb führten sie selbst gewaltsame Aktionen durch, die den Charakter von Selbstjustiz hätten. „Verfechtern eines derartigen Aktivismus müssen wir klipp und klar sagen: Das Gewaltmonopol liegt beim Staat!“, betonte Beuth.
Schließlich widmete sich Beuth noch dem Aspekt der Vorbereitung auf den Straßenkampf. Im gewaltorientierten neonazistischen Bereich spielten Kampfsport und Selbstverteidigung schon von jeher eine Rolle. Bemerkenswert sei, dass Kampfsportaktivitäten zunehmend auch im Linksextremismus festzustellen seien. Auf beiden Seiten gehe es offenkundig darum, sich für mögliche Auseinandersetzungen mit Gegnern zu wappnen.
Erfolgreiche Akzente der hessischen Sicherheitspolitik
Sorge bereite in diesem Zusammenhang auch die Bewaffnung von Extremisten, sagte Beuth. Der Innenminister zählte die hessischen Erfolge im Hinblick auf Entziehung von Waffen und waffenrechtlichen Erlaubnissen auf: Von 2019 bis Ende der ersten Hälfte dieses Jahres konnten in Hessen insgesamt 148 Extremisten entwaffnet werden. Der Innenminister zeigte sich mit dem, was auf dem Weg hessischer Initiativen erreicht wurde, aber noch nicht zufrieden: „Ich sage aber auch klipp und klar, dass die Regelunzuverlässigkeit von Extremisten weiterhin das Ziel der Politik sein sollte. Denn: Waffen haben in den Händen von Extremisten nichts zu suchen!“
Innenminister Beuth schloss seinen Impulsvortrag mit dem Hinweis auf die enge Zusammenarbeit der Sicherheits- und Justizbehörden in Hessen, die mit der Einrichtung des Hessischen Extremismus- und Terrorismus-Abwehrzentrum im Jahr 2019 institutionalisiert wurde, und wies auf weitere Maßnahmen wie die „Besondere Aufbauorganisation Hessen R“ der hessischen Polizei und die Meldestelle „Hessen gegen Hetze“ hin, die die Landesregierung gegen das gewaltorientierte extremistische Spektrum gesetzt habe. Beuth betonte: „Die hessischen Sicherheitsbehörden werden im Kampf gegen Feinde unserer Freiheit und Demokratie nicht nachlassen und ihre rechtlichen Möglichkeiten maximal ausschöpfen, um die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten.“
Podiumsdiskussion
Welche Folgen solcher extremistischer "Freund-Feind-Aktivismus" für die freiheitliche Demokratie und die öffentliche Sicherheit hat, wie entsprechende Aktionen und Veröffentlichungen im Internet rezipiert werden, welche aktuellen Entwicklungen dabei festzustellen sind und wie die Behörden damit umgehen, wurde dann in der Podiumsdiskussion erörtert. Unter der Moderation von Thomas Kreutzmann (Journalist, Autor) brachten Ine Dippmann (Journalistin, MDR), Prof. Dr. Julian Junk (Extremismusforscher, Hessische Hochschule für öffentliches Management und Sicherheit), Dr. Lars Otte (Ständiger Vertreter des Generalbundesanwalts beim Bundesgerichtshof) und Sinan Selen (Vizepräsident des Bundesamts für Verfassungsschutz) als Podiumsgäste ihre jeweiligen Perspektiven auf das Thema ein.
Zu Beginn der Diskussion brachte BfV-Vizepräsident Selen seine Besorgnis über die Wechselwirkung zwischen rechtsextremistischer und linksextremistischer Gewalt zum Ausdruck: "Es ist eine Aufschaukelungsbewegung zu sehen, die schlussendlich tödlich enden wird." In Bezug auf die Gruppierung um Lina E., deren Mitglieder vom Oberlandesgericht Dresden wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung beziehungsweise deren Unterstützung zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt wurden, sagte er: "Leute - auch schwer - zu verletzen, ist das Ziel dieser Vereinigung gewesen." Journalistin Dippmann rief die in Ostdeutschland virulente rechtsextremistische Gewalt in den 90er Jahren, den sogenannten "Baseballschlägerjahren", in Erinnerung. Diese werde in Teilen der linksextremistischen Szene noch heute als Legitimation dafür herangezogen, als letztes Mittel auch selbst "Militanz" einzusetzen. Prof. Dr. Junk weitete den Blick über den Aspekt der Gewalt hinaus und führte aus, dass die gegenseitige "Gegnerschaft" in rechts- wie linksextremistischen Milieus auch zu Mobilisierungseffekten führen und die extremistischen Szenen insgesamt stärken könne. Vor dem Hintergrund der erfolgreichen Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden und Zivilgesellschaft blicke er aber nicht pessimistisch in die Zukunft. Man stehe den Entwicklungen nicht hilflos gegenüber: "Wir wissen was wir tun können, etwa in der Prävention".
Zum Ende des Abends leitete Thomas Kreutzmann auch in der Diskussionsrunde die Aufmerksamkeit auf den Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober und ließ die Panelisten ihre Gedanken dazu formulieren. Besonders eindringlich waren die Schilderungen von Dr. Lars Otte, der berichtete, wie er bei einem Besuch in Israel aus erster Hand mit Details und Folgen des brutalen Angriffs konfrontiert wurde. So endete der Abend, wie er begonnen hatte: Mit einem Blick über den Tellerrand des geplanten Themas hinaus und mit Solidaritätsbekundungen gegenüber den Jüdinnen und Juden in Deutschland, die nicht nur unter dem Angriff der Hamas als solchem, sondern auch unter dem Antisemitismus zu leiden haben.
Die Extremismus-Prävention des LfV Hessen
Das LfV Hessen sensibilisiert auch abseits des Herbstgesprächs im Rahmen seiner Präventionsarbeit für über alle Formen des Extremismus. Die Präventionsexpertinnen und -experten des LfV stehen kostenfrei für dezentrale Informations- und Sensibilisierungsveranstaltungen zur Verfügung. Die Präventionsabteilung des LfV Hessen ist telefonisch unter 0611-7201966 und per E-Mail an praevention@lfv.hessen.de erreichbar.
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